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Der Stadthafen ist Logistik-Drehscheibe für rund 60 Firmen und Arbeitsplatz für 2000 Menschen
Knapp 770 Pferdestärken arbeiten munter unterm Blech, dröhnend rollt die Henschel-Lok aufs Bahnhofsgleis am Gelsen-Log-Sitz im Hafen, beendet sanft ihre kurze Fahrt durch den Hafen. Dax und Purvang, 14 und 15 Jahre alt, steigen strahlend die paar Stufen aus dem Steuerstand herab. Sie haben das 20-Tonnen-Ungetüm (mit leichter Lokführer-Hilfe) gefahren. Es sind die letzten, besonderen Meter eines besonderen Ausflugs. Gelsen-Log öffnete für die WAZ, nun ja, nicht die Türen, aber die Wege in den Stadthafen, diese internationale Gelsenkirchener Logistik-Drehscheibe.
1,2 Millionen Quadratmeter groß ist das Hafengebiet
Die Zwei-Stunden-Tour zu Handels- und Industriehafen-Becken, über Gleiskreuzungen, vorbei an kleinen Schrauber-Klitschen und Welt-Unternehmen wie Müller’s Mühle hat durchaus das Zeug für lokale Superlative: 1,2 Millionen Quadratmeter groß ist das Hafengebiet, drei Kilometer lang ist das für den Güterumschlag ausgebaute Ufer, rund 100 000 Quadratmeter groß sind die überdachten Hallenflächen, 60 000 Kubikmeter fassen die Silos für Getreide und Hülsenfrüchte und 244 000 Kubikmeter petrochemische Produkte passen in die Lager der Unternehmen.
Rund 60 Firmen haben im Hafen ihren Sitz, für fast 2000 Menschen (davon 14 bei Gelsen-Log) ist er Arbeitsplatz. Betriebsleiter Frank Ogrzall, „53 Jahre alt und im 28. Jahr bei Gelsen-Log“, serviert die Zahlen zum Start. Im komfortablen Nickel-Reisebus geht es auf den Kurztrip in eine etwas andere Arbeitswelt.
200 Tonnen Zucker an Bord des ersten Frachters
Und auch diese Info gibt es für die rund 20 WAZ-Leser noch mit auf die Reise: Am 13. Juli 1914 lief der erste Frachter den damals nagelneuen Gelsenkirchener Hafen an. 200 Tonnen Zucker hatte er an Bord. Heutige Binnenschiffe bringen bis zu 3500 Tonnen Fracht über den Wasserweg. Einer dieser größeren Frachter , die „Gratias“, löscht seine Ladung im Handelshafen. Eine Kranschaufel füllt in schnellem Takt die Silos der Mühle Rüningen. Weizen und Roggen werden hier gemahlen. Seit 2005 betreibt das Unternehmen laut Ogrzall den Standort. Damals wurden 10 000 Jahrestonnen umgeschlagen, heuer sind es bis zu 160 000. Dass der Weizen gebaggert und nicht eingesaugt wird, wundert. Rainer Schlanzenbach liefert die fachliche Erklärung: „Das geht bei Reis, nicht bei Getreide, Weizen würde zerknallen.“
Der Leser bringt einschlägige Erfahrung mit. Von 1969 bis 1990 hat er im kaufmännischen Bereich im Hafen gearbeitet – bei Müller’s Mühle.Vorbei geht es im Bus an Branchenriesen: Avangard betreibt die größte deutsche Mälzerei im Hafen, Hegmanns Ingenieure eines der bundesweit größten Ingenieurbüros , Norres sieht sich als Marktführer für Industrieschläuche. Und dann sind da ja noch der Rohbenzol-Spezialist Arsol Aromatics und die Trans Tank GmbH, die hier – mit 65 Tanks – das größte Tanklager in einem deutschen Binnenhafen betreibt.
„Dass das hier so weitläufig ist, da wäre ich im Leben nicht drauf gekommen. Da fährt man so häufig über die Kurt-Schumacher-Straße und achtet nie darauf“, meint ein Leser und bekommt Zustimmung aus der Runde. Der Hafen – für fast alle war das bislang unbekanntes Terrain mitten in ihrer Stadt.
Weiter geht es zu den Siefert-Hallen. Der Schwerlast-Spediteur betreibt im Hafen eine 250-Tonnen-Krananlage. Riesige Haspeln mit Stahltrossen von Bridon oder Lokomotiven aus der Schalker Eisenhütte hingen hier schon am Haken. Donnerstag ist kein Tag für spektakuläre Fracht an der Kaimauer. Doch der Ausblick ins Coil-Lager ist nicht weniger beeindruckend. „Die können sie mitnehmen, wenn sie möchten“, scherzt Ogrzall und hat die Lacher auf seiner Seite.
Die Riesen-Stahlblechwickel, jeder einzelne bis zu 30 Tonnen schwer, werden per Schiff, Zug und im Einzugsbereich von 40 bis 50 Kilometern um den Hafen vor allem per Lkw umgeschlagen. Ein Lastzug fährt vor, bekommt ein Coil aufgeladen – und geht tief in die Federn.
Bis zum Bahnhof Bismarck betreibt Gelsen-Log den Güterverkehr über gut 15 Kilometer Hafen-Gleise. Ganz so weit geht die Fahrt der Leser in der Lok-Kabine nicht. Nach wenigen Hundert Metern heißt es: zurück auf Start. Der Profi im Steuerstand übernimmt wieder. Es gibt noch eine lange Reihe Kesselwagen zu bewegen...
[Quelle: Jörn Stender, WAZ, 11.08.2017 - 08:05 Uhr]